Vor etwa sechs Wochen habe ich das letzte Mal über meinem Freiwilligendienst berichtet – zu einem Zeitpunkt, an dem mein Freiwilligendienst offiziell noch gar nicht angefangen hatte. Das was ich bisher über meinen Freiwilligendienst berichtet habe, stammt noch aus der Zeit während meines zweiwöchigen Spanischkurses, wo ich aber die Organisation bereits ein bisschen kennenlernen durfte.
Es ist also an der Zeit, mal wieder zu berichten. Der letzte Stand war, glaube ich, dass ich im Kindergarten arbeiten werde. Es ist aber ein bisschen anders gekommen:
Gleich in den ersten Tagen habe ich den Kindergärtnerinnen offen und ehrlich gesagt, dass es mir – lieb ausgedrückt – keine Freude bereitet, mit zweijährigen Kindern zu arbeiten, und dass ich es vermutlich kein ganzes Jahr schaffen werde. Die Reaktion war für mich in der Situation einfach toll. Die Kindergärtnerinnen hatten vollstes Verständnis und sofort habe ich andere Aufgaben bekommen. Jetzt macht mir die Freiwilligenarbeit sehr viel Spaß, denn sie ist interessant und könnte nicht wechselseitiger sein. In der „Fundación Sembrar Esperanza“ arbeite ich mit den nettesten Leuten zusammen und direkt in einer WG auf dem Gelände lebend, sind die Menschen in der Organisation wie eine riesige Gastfamilie für mich.
Jede Woche startet bei mir so: Ich stehe um 7 Uhr morgens auf, dusche nicht und ziehe die dreckigsten Klamotten an, die ich habe. Da meine Arbeit montags vor Ort beim Recyclinghof beginnt, besteht der Arbeitsweg nur aus Treppenstufen. Zunächst helfe ich – wenn es für mich gut läuft – ein paar Sachen zu den beiden Wagen zu tragen, die dort stehen oder frischen Bioabfall auf einen der Komposthaufen zu werfen. Einmal musste ich jedoch ein paar Pflanzen gießen, mit etwa vier Kanistern voll Blutabfall. Trotz guter Resteverwertung aus der Fleischerei hoffe ich, es nicht noch einmal machen zu müssen. Irgendwann nach 8 Uhr geht es mit einem der beiden Wagen los. Zusammen mit Juan Carlos, Luis oder Sebastian, Arbeiter in diesem Projekt, hole ich recyclebaren Müll (meist Glas- und Plastikflaschen, Pappe und Biomüll) von verschiedenen Standorten ab: Restaurants, Läden, Hotels, Industrie, Wohnungen. Oder wir bringen nicht recyclebaren Müll auf eine Müllhalde. Es gibt auch manchmal speziellere Aufträge wie ganz viele alte Möbel abzuholen, die später an die von der Fundación unterstützten Familien verschenkt werden können. Wo wir hinfahren, ist jeden Montag anders, aber immer sehr cool. Während der Fahrt kann ich – ich fahre meist mit einem der beiden Arbeiter alleine – viel Spanischreden üben, und wenn Müll transportiert werden muss, mich körperlich betätigen. Es ist zwar anstrengend, aber immer erlebnisreich, vor allem, weil wir oft nach Quito oder in nördliche Richtung fahren und man deshalb während der Fahrt viel sieht. Mittags komme ich Zuhause sehr müde wieder an, mit den dreckigsten Klamotten und nach Abfall stinkend.
Das war jetzt jedoch nur der Montag. Der Dienstag sieht ganz anders aus: ich stehe um 8 Uhr auf, ziehe die dreckigen Klamotten vom Vortag wieder an und gehe meinen Treppenstufenarbeitsweg nach unten zu einer kleinen Werkstatt, wo um 8.30 Uhr die Arbeit beginnt. Bis etwa 12 Uhr unterstütze ich ein paar ältere Frauen bei der Herstellung von Recyclingpapier. Das läuft etwa so ab: Zunächst wird bereits von der vorherigen Woche trockenes, fertiges Papier aus Rahmen, die mit Damen-Strumpfhosen bespannt sind, herausgedrückt. Dann werden die Rahmen sauber gemacht, während bereits eine Frau eingeweichte Papierreste, Wasser und ein kleines bisschen Kautschuk in einem Mixer mixt und in Eimer füllt. Wenn die Rahmen sauber sind, tragen wir sie zusammen mit den vollen Eimern raus. Dort wird das Papier mithilfe der Rahmen geschöpft und anschließend auf eine Bank zum Trocknen gelegt. In diesem Projekt arbeite ich auch noch mit Alina zusammen, einer netten Schweizerin, die in Quito lebt und arbeitet. Viele Rahmen waren unbenutzbar, da die Damen-Strumpfhosen gerissen sind und es teuer ist, neue zu beschaffen. Alina hat jedoch welche beschaffen können und wir konnten alle Rahmen wieder bespannen, sodass jetzt wieder viel mehr Papier auf einmal geschöpft werden kann. Die Frauen haben sich sehr darüber gefreut.
Nach dem Papierschöpfen fange ich die Aufgaben an, die ich momentan Mittwoch und Donnerstag machen muss. So helfe ich oft, Karten aus dem selbstrecycelten Papier anzufertigen, die in die Schweiz an den Verein „Pro Pomasqui“ verschickt werden. Um es einmal ungefähr versuchen zu erklären: Der Verein „Pro Pomasqui“ in der Schweiz engagiert sich für die benachteiligte Bevölkerung in Pomasqui und unterstützt die Umwelt- und Sozialprojekte, die mit der Stiftung Sembres, bei der ich als Freiwilliger tätig bin, in Pomasqui umgesetzt werden.
Oft bekomme ich Gelegenheitsaufgaben wie Flaschen zu sortieren, bei einem Kleiderflohmarkt mitzuhelfen, irgendetwas zu tragen/abzuholen, kleine Baumsetzlinge zu bearbeiten oder eine Schülergruppe begleiten, die durch den Recyclinghof geführt wird. Ich stehe morgens auf und weiß oft nicht, was ich für Aufgaben habe, aber es ist toll, da es so wechselseitig ist und man immer mit netten Leuten arbeitet.
Momentan übersetzte ich Mittwoch und Donnerstag vor allem Briefe, von Spanisch ins Deutsche. Diese Briefe sind von Kindern an ihre jeweiligen Paten in der Schweiz, von denen sie monatlich eine bestimmte Summe für größtenteils Bildung und Essen bekommen. Manche sind noch in der Grundschule, andere kurz vor dem Schulabschluss. Es sind Dankeskarten, die zweimal im Jahr verschickt werden. Bisher war jeder Brief, ob nur eine oder drei Seiten, sehr schön zu lesen. Nur Punkt und Komma fehlen und die Rechtschreibfehler und die manchmal unleserliche Schrift machen das Übersetzen auch nicht einfacher. Familienmitglieder der Patenkinder, oft sind es die Eltern, müssen insgesamt 15 „Arbeitstage“ (6h) in der Fundación leisten. Mit diesen Leuten arbeite ich daher oft zusammen, wie man oben auf den Bildern sieht.
Und nun der Freitag, wieder komplett anders: Ich arbeite im Kindergarten in der Küche. Eigentlich auch donnerstags, aber momentan nicht wegen der Dankesbriefe, die übersetzt werden müssen. Ich arbeite zusammen mit Señora Roci, eine unglaublich netten Köchin. Zum Glück wird zudem freitags fleischlos gekocht. Die Kinder bekommen zum Frühstück meist von einer Bäckerei geschenktes restliches Brot und ein von der Köchin selbstgemachtes warmes dickflüssiges sehr süßes Getränk. Dann gibt es im Verlauf des Vormittags irgendeine Frucht und mittags immer eine Suppe als Vorspeise und Reis mit irgendetwas als Hauptgericht, plus einen Saft. Den zu machen, ist oft meine Aufgabe. Es ist ganz einfach: eine Handvoll Früchte mit ganz viel Wasser und gefühlt noch mehr Zucker mixen und fertig. Andere Aufgaben sind: Gemüse so klein schneiden, dass es den Kindern später kaum noch auffällt, Essen servieren, Geschirr abwaschen, Boden wischen… Für 40 Kinder ist das ganz schön viel Arbeit und ich bin in der Küche fast nur in Bewegung. Ich bewundere die Köchin sehr, dass sie die Arbeit den Rest der Woche komplett alleine macht. Jeden Freitagnachmittag geht Señora Roci zusammen mit der Köchin des anderen Kindergarten auf dem Markt, um Obst und Gemüse für die nächste Woche zu kaufen. Ich liebe es mitzukommen und mich von einem Stand zum nächsten durch zu probieren. Da der Markt etwa eine halbe Stunde mit dem Bus von mir entfernt ist, nutze ich die Gelegenheit, um für die WG auch gleich etwas einzukaufen. Zurück im Kindergarten helfe ich noch beim Ausladen, verabschiede mich und starte ins Wochenende.
Das war jetzt ein bisschen etwas, was ich grob über meinen Freiwilligendienst berichten konnte. Ich erlebe dabei so viel, dass ich bestimmt schon bald wieder einen Beitrag über meine Arbeit hier verfassen kann…