Ecuador 2022/2023

Quito: TelefériQo und Guayasamín

Letztes Wochenende war ich wieder einmal in einem Wald, aber vielleicht ist es auch mal gut, zur Abwechslung wieder über etwas anderes zu berichten. Wir als Freiwillige haben sogenannte Mentoren, die hier in Ecuador leben, und deren freiwillige Aufgabe es ist, uns bei Fragen zur Seite zu stehen und uns ihre Kultur zu zeigen.

Meine Mentorin, Melissa, ist wohl die netteste von allen. Direkt am ersten Wochenende (also vor fast vier Monaten), schrieb sie uns, meinen Mitbewohner und mir, ob wir etwas mit ihr unternehmen wollen. Gleich morgens um 10 Uhr wollten wir uns am sogenannten TelefériQo treffen. Für meinen Mitbewohner und mich war es die erste Busfahrt alleine und natürlich haben wir uns gleich mehrmals verfahren, obwohl ein direkter Bus (40min) gereicht hätte. Wir waren eine Stunde zu spät gekommen, aber wir hatten es geschafft und Melissa hatte geduldig auf uns gewartet.

Warum berichte ich davon erst jetzt, ganze vier Monate später? Keine Ahnung, aber jetzt berichte ich ja davon. Teleférico heißt Seilbahn auf Deutsch. Es handelt sich dabei um eine ganz normale Gondel, wie man es aus Europa kennt, mit der man von Quito von 2950m auf 3945m hochfahren kann. Wir hatten Glück und hatten sehr gutes Wetter. Von oben hat man einen grandiose Blick über Quito und so manche Vulkane.

Spätestens bei diesem Bild ist klar, dass es sich um ein veraltetes Foto vom Cotopaxi handelt. Der aktive Vulkan ist nämlich momentan wirklich aktiv und raucht ganz schön. So stark, dass in manchen Teilen Quitos geraten wird, Schutzbrillen und Masken wegen der Asche zu tragen (auch wenn es in Quito wegen der schlechten Luft durch die Abgase der Autos eigentlich immer ratsam ist, Maske zu tragen).

Um das jetzt einmal loszuwerden: Ich hatte eigentlich vor, den Cotopaxi zu erklimmen. Imbabura mit etwa 4600m und Tungurahua mit etwa 5000m (beides Vulkane, von denen ich bereits jeweils Beiträge veröffentlicht habe) waren eine Art Training für den Cotopaxi. Nach dem ich aber beinahe oben auf dem Tungurahua erfroren wäre, und mir gesagt worden ist, dass das im Vergleich zur Kälte auf dem Cotopaxi (5897m) nichts ist, habe ich kurzfristig abgesagt und mich dazu entschieden, stattdessen mit anderen Freiwilligen in den warmen Nebelwald zu fahren. Genau an diesem Wochenende fing der Cotopaxi stark an zu rauchen und wurde für Bergsteiger gesperrt. Ich habe die Nachricht von der Sperrung gelesen, während ich abends mit einer Kokosnuss in Mindo in der Hängematte lag und dachte: „Alles richtig gemacht, Angelos!“. Es tat mir aber für die anderen Freiwilligen, die den Cotopaxi an diesem Wochenende erklimmen wollten, natürlich auch Leid. Heute raucht der Cotopaxi immer noch, ist immer noch für Bergsteiger gesperrt und könnte sogar kurz vor einem großen Ausbruch stehen.

Ja, wo war ich? TelefériQo. Man hat von oben auch noch andere Vulkane sehen können.

Später sind wir an diesem Tag noch ins Centro Histórico von Quito gefahren und Melissa hat uns herumgeführt. Melissa hat sich den ganzen Tag für uns Zeit gelassen, einfach mega lieb.

„Von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt wurden wir Zeugen des größten Elends: Dörfer aus schwarzem Schlamm, auf schwarzer Erde, mit Kindern, die mit schwarzem Schlamm bedeckt waren; Männer und Frauen mit Gesichtern aus von der Kälte verbrannter Haut, in denen die Tränen jahrhundertelang gefroren waren, bis man nicht mehr wusste, ob sie aus Salz oder Stein bestanden; Musik von Schlägern und Nörglern, die die unermessliche Einsamkeit ohne Zeit, ohne Götter, ohne Sonne, ohne Getreide, nur Schlamm und Wind beschrieben.“ – Guayasamín

Guayasamín setzte sich für eine Erinnerungskultur des aufgrund des Kolonialismus indigenen Leides ein, das bis heute nachwirkt und damit auch für eine Verbesserung der Lebensbedingungen indigener Völker in den lateinamerikanischen Ländern, die bis heute benachteiligt werden. Mit seinen expressionistischen Bildern versuchte er das Leid der Indigenen auszudrücken.

1976 gründete er die Stiftung Guayasamín. Ziel der Stiftung ist, das kulturelle Erbe des Volkes und besonders der Indigenen zu sammeln und zu bewahren. Bis zu seinem Tod war Guayasamín Präsident der Stiftung, heute wird sie von seinen Kindern geleitet.

Außer den Bildern, die den drei Zyklen zuzuordnen sind, malte er auch immer wieder Portraits anderer Künstler oder Politiker, aber auch Blumen und Landschaften Ecuadors, die sowohl von der Schönheit als auch von der Bedrohung des Landes künden.

Neben diesen Ausflug haben wir noch einen anderen später zusammen gemacht und in Quito die „Capilla del Hombre“ (deutsch: Kapelle des Menschen) besucht. Es ist ein Museum, das auf Wunsch vom Künstler Guayasamín selbst ab 1996 errichtet worden ist. Hier werden nicht nur die Werke Guayasamíns ausgestellt, sondern auch ein künstlerisch gestalteter Überblick lateinamerikanischer Geschichte und kulturellen Erbes. Guayasamín erlebte die Eröffnung des Museums 2002 nicht mehr, da er selbst 1999 mit 79 Jahren an einem Herzinfarkt starb.

Guayasamín wurde 1919 in Quito geboren und war eins von zehn Kindern eines indigenen Vaters und einer mestizischen Mutter (also mit sowohl indigenen als auch europäischen Vorfahren). Er stammte aus einfachem Hause, schaffte es aber schon früh durch seine künstlerischen Fähigkeiten und seinen Freigeist bekannt zu werden und seine Werke zu verkaufen.

Mit dem eingenommenen Geld machte Guayasamín unter anderem eine Reise durch Südamerika. Die Eindrücke dieser Reise inspirierten ihn zu seinem ersten Bilderzyklus „Huacayñán“ (Kichwa, deutsch: Der Weg der Tränen), in dem er besonders das Elend und die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung Lateinamerikas thematisierte. Später kamen dann noch die Bilderzyklen „La Edad de la Ira“ (deutsch: Das Zeitalter des Zorns) und „La Edad de la Ternura (deutsch: Das Zeitalter der Zärtlichkeit) dazu.

Links: „El Toro y el Cóndor“ (deutsch: Der Stier und der Kondor) Der südamerikanische Kondor besiegt den spanischen Stier, ein Sinnbild der Unabhängigkeitskriege.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert